Mein November 2023
Monatsgeschichte von Margit Thürauf aus Bamberg
Es ist Mitte November. Die Bäume tragen in diesem Jahr noch viele grünen Blätter. Nur in den Baumwipfeln hat sie der Wind bereits verweht. Es sind nächtliche Minustemperaturen angesagt, die Blätter werden bald fallen. Tagsüber regnet es häufig. Es ist dieser feine Nieselregen, der so unscheinbar daherkommt, dass man den Schirm nicht öffnen möchte und dann doch innerhalb kürzester Zeit pitschnass ist. Novemberwetter.
Ich gehe auch bei schlechtem Wetter hinaus. Heute besuche ich noch einmal meinen Lieblingsweg hoch zum Kloster, gehe die vielen Stufen, die vom Laub ganz glitschig sind. Bald wird der Weg gesperrt werden, wie jeden Winter. Von den Büschen ist bereits viel Laub abgefallen, ich sehe rote Pfaffenhütchen leuchten. Meinen Blick zieht es immer wieder auf das Naheliegende direkt am Wegrand. Weit kann ich wegen des Dunstes nicht schauen. Im Sommer sehe ich von dieser Stelle aus bereits den kleinen Pavillon in dem Terrassengarten. Nun ist er im Nebeldunst versteckt.
Es ist drei Uhr am Nachmittag. Kaum ein Spaziergänger ist hier. Ganz anders als im Sommer um diese Tageszeit. Meine Lieblingsbank nach den ersten Stufen mit dem schönen Ausblick auf den Rosengarten und die Weinberge ist noch nicht eingeräumt. Ich wische sie etwas trocken und kann mich hinsetzen, um den November in mich auszunehmen. Krähen höre ich und nun rechts im Busch eine Meise. Ich kenne die Vogelstimmen nun wieder besser, seit ich in diesem Sommer mit meinen Enkelchen in einem Vogelstimmenbuch gelesen habe. Kinderbücher von heute enthalten auch Zwitscherproben.
So ein Frieden hier! Ich kann allein unbesorgt spazieren gehen, muss keine Bomben befürchten, wie in Gaza-Stadt oder in Bachmut, muss nicht vor Krieg oder Hunger flüchten und doch denke ich an die armen betroffenen Menschen und wünsche ihnen Frieden und alles, was sie brauchen. Dankbar blicke ich auf die abgeernteten Weinberge vor mir und die alten Zwetschgenbäume, die in diesem Jahr nicht viel getragen haben.
Zu viel geht mir seit einigen Tagen durch den Kopf: Dass wir uns gesellschaftlich und politisch wie im Kreise drehen und nicht vorwärtskommen. Ja, uns sogar verheddern. Und da ist der Zwiespalt zu meinem persönlichen Leben, in dem es so ruhig und schön ist. Irgendwie passt dieser November zu mir. Ich nehme das Leid der Welt wahr und trotzdem fühle ich die Dankbarkeit und Freude für mein persönliches Glück wie lange nicht.
Hochspannungen draußen und entspanntes Glück innen. So ist mein November 2023.
Margit Thürauf, 15.11.2023